Glocken in Süplingen
1517 Bronze Ø 470 mm 55 kg
1518 Bronze Ø 590 mm ~120 kg
1957 Hartguss Ø 820 mm ~220 kg
1957 Hartguss Ø 990 mm ~380kg
"Das Glöckchen" von Ingeborg Heidenreich
zum 500ten Glockengeburtstag am 25.6.2017
Als Martin Luther seine 95 Thesen an die Schlosskirche in Wittenberg schlug, wurde im gleichen Jahr eine kleine Glocke gegossen. Ihre ersten Stunden waren sehr beengt. Zwischen Glockenkern und –mantel war sie eingezwängt. Es war ihr so unendlich heiß, aber der Glockenmantel sprach zu ihr: „Du darfst nicht zu schnell abkühlen. Sonst erhältst du einen Riss und kannst nicht mehr klingen. Du sollst Menschen rufen und mit einem wunderschönen Klang erfreuen – dazu bist du erschaffen worden.
Sie sollen kommen und Gott dem Herrn, von dem alles her kommt, die Ehre zu geben.
Gott ist so etwas wie der Glockenbauer der Menschen“.
Da antwortet die kleine Glocke: „Ich habe noch nie einen Glockenbauer gesehen. Wahrscheinlich gibt es ihn gar nicht und du erzählst es mir nur“.
„Doch“, erwiderte der Glockenmantel. „Warte nur noch ein wenig, bis die Zeit da ist und du abgekühlt bist, dann wirst du ihm begegnen“.
Und so wartete sie und wartete. Es war ihr nicht mehr ganz so heiß. Irgendwann hörte die kleine Glocke laute Schläge. Es schüttelte sie hin und her. Und da kam der erste Lichtstrahl.
Der Mantel wurde abgehoben und – sie sah zum ersten Mal in ihrem Leben den Glockenbauer. Es gab ihn also doch!
Sie wollte allen Menschen läuten und ihnen von ihrem großen Glockenbauer erzählen, der sie einst erschaffen hatte.
Nun ging es auf einem Kutschwagen. nach Süplingen. Kurz vor Haldensleben gingen die Pferde durch und die Glocke wäre fast vom Wagen gefallen. Da wurden die Pferde ausgespannt und Bauer Peters aus Süplingen brachte frische Pferde. Es war der Glocke nichts passiert und geschmückt mit Kränzen kam sie in die St. Annen Kirche und erklang zum ersten Mal an ihrem neuen Ort.
Es war ein zarter wunderschöner Ton. Er erinnerte an den Engel mit seiner Botschaft, dass der Heiland bald geboren wird. Ja, das wollte die Glocke allen Menschen weitersagen.
Sie waren nicht mehr allein, Jesus wohnte unter ihnen..
Und stellt euch vor, nach einem Jahr kriegte die kleine Glocke sogar noch ein Geschwisterchen. Dann waren sie zu zweit und sangen und klangen, dass es nur so eine Freude war.
Einmal, da staunten sie nicht schlecht.
Es war im Jahr 1539. Da kam ein neuer Pfarrer. Es war Henning Wollenberg. Der brachte eine junge Frau Magdalena mit. Sie hatten sich von Herzen lieb. Doch als Pfarrer durfte er nicht heiraten.
Ein Freund erzählte ihm von Martin Luther. Martin war ein ehemaliger Mönch und hatte 14 Jahre vorher geheiratet.
Ob Henning das auch durfte?
Er machte eine Reise nach Wittenberg. So wichtig war ihm das. Was er sah und hörte, überzeugte ihn.
Er ging zurück und hielt um die Hand seiner Liebsten an. Deren Eltern waren ganz überrascht. Er erzählte ihnen alles, was er erfahren hatte. Alle Nachbarn hörten zu und sagten: Martin Luther hat Recht.
Nur die Großmutter von Magdalena war ganz dagegen. Aber die Eltern von Magdalene setzen sich durch und gaben Henning ihre Tochter zur Ehefrau. Das war eine Sensation.
Die kleine Glocke hatte den Wunsch:
Sie wollte bei der Hochzeit läuten.
Das wurde ihr auch gewährt. Ihre Schwester stimmte mit ein, dass es wunderschön klang, als sie wieder aus der Kirche heraus traten. So etwas hatte Süplingen noch nie erlebt. Die Reformation war dort angekommen.
Auch im Nachbarort Bülstringen, wo Henning sich mit seiner Magdalena niederließ, setzte sich der evangelische Glaube durch..21 Jahre läutete die kleine Glocke für den jungen Pfarrer und sah so manche feuchten Augen, die von der Liebe zu Jesus Christus ergriffen waren. Sie hatten zum Glauben an Jesus gefunden durch die Predigt von Pastor Henning Wollenberg.
Der Nachfolger, Stephan Rieseberg, tat sich schwer. War alles schon zur Gewohnheit geworden, das damals brandneu war? War die erste Liebe weg oder war er einfach noch zu jung und unerfahren? Die Begegnung mit dem todkranken Henning veränderte ihn. Der hatte gar keine Angst vor dem Sterben, ja er freute sich mit Jesus auch im Kreuz verbunden zu sein.
Nach seiner Beerdigung war Stephan Rieseberg ein anderer Mensch. Die Gemeinde spürte ein neues Glühen in seinen Augen, das vorher nicht da war.
Als die Schwester der kleinen Glocke zur Beerdigung läutete, da war es, als ob ein kleiner Jubel mitschwang:
Ja. Jesus hat den Sieg über den Tod. Uns kann nichts von ihm trennen. Wir gehen dem Leben entgegen.
Und beim letzten Glockenton, da stimmte die kleine Glocke mit ein. Es war wie ein Engel, der sein Halleluja sang.
Es kamen noch mehr Glocken-Geschwister hinzu. Sie wurden aber weggenommen und eingeschmolzen, weil sie für den Krieg gebraucht wurden.
Die kleine Glocke und ihre Schwester ließen die Kriegsherren im Glockenstuhl zurück. Sie waren ihnen zu klein. Sie wollen nur die Großen.
Und so hängen die kleine Glocke und ihre Schwester noch bis zum heutigen Tag in der St. Annen-Kirche in Süplingen..
Und ihr Jubel ist vor jedem Gottesdienst zu hören:
Halleluja. Gelobt sei der Herr. Amen.
Anmerkung:"Süpplingen, Filial von Bülstringen: Stephanus Riesebeck (1560) Dieser Pfarrer ist fast zu schwach zum Ambte, aber weil er jung, hofft man Besserung" (Chronik von Neuhaldensleben, Kantor Bock, S. 139 zum Kapitel ‚Durchführung der Reformation
Feuerglocke
500 Jahre ist die kleine 47 cm breite Glocke mit einem Gewicht von 55 kg. Die hellste Glocke und die älteste Glocke.
Pastor Lachmunds Sohn Hans Lachmund erzählte: Es war die Feuerglocke. Sie hat z.B. beim Brand von Jakobs Scheune und Dorendorfs Scheune Hilfe herbeigeläutet.
Wenn sie ruft, dann geht es um Leben. Heute um das ewige Leben. Alles andere tritt dann zurück.
Wer nicht auf sie hört, steht in Gefahr ausgebrannt zu sein.
Die Feuerglocke erinnert an eine Pause „Kommt alle her zu mir, die ihr euch abmüht und belastet seid, ich will euch Ruhe schenken, dass ihr aufatmen könnt.“
Nehmt das ernst. Sprecht zumindest ein stilles Gebet. Die Feuerglocke verhindert, dass wir ausbrennen.
Hans Heidenreich beim 500ten Glockenjubiläum 2017
Bericht „Über die Glocken“vom 20. Februar 1929
an das Ev. Konsistorium in Magdeburg
Vor dem Kriege waren hier drei Glocken vorhanden:
- aus dem 17. Jh. gegossen von Jakob Wenzel, -85 cm Durchmesser
- aus dem Jahre 1518, -59 cm Durchmesser
- aus dem 15. Jh. -47 cm Durchmesser.
Im Jahre 1918 ist die größte Glocke für Kriegszwecke abgeliefert. Im Jahre 1921 ist von der Firma Weule-Bockenem eine neue Stahlglocke im Tone gis zu den vorhandenen beiden Glocken e und h mit 1,21 m Durchmesser und 14 Centner Gewicht für 6900 M gegossen worden. Diese Glocke zersprang im Jahre 1924, wurde in demselben Jahre von derselben Firma durch eine neue Stahlglocke ersetzt, die aber im Jahre 1927 wieder sprang.-
Am 1. April 1928 wurden zwei neue Bronzeglocken geweiht, die von der Firma Schilling Söhne Apolda zum Preise von 2600 R.M. gegossen sind.
Die größte hat ein Gewicht von 513 kg und trägt die Inschrift:
„O Land, Land, Land höre des Herrn Wort!“ (Jer 22,29)
Die kleinere wiegt 311 kg und trägt die Inschrift:
„Ehre sei Gott in der Höhe“
(Lk 2,14)
Es hängen jetzt also 4 Bronzeglocken im Turm mit dem Geläut a-c-e-h-. Der Preis der neuen Glocken ist von der Gemeinde aufgebracht außer einem Zuschuss von 4300 RM durch das Konsistorium.
Nur die drei großen Glocken werden beim Zuläuten der Hauptgottesdienste geläutet, sonst zwei, resp. eine Glocke bei Taufen, Trauungen und Beerdigungen.
Für gottesdienstliche Zwecke genutzte Gebäude ohne Glocken gibt es nicht.
Der Gemeindekirchenrat.
I.A. Pfarrer (Hans Lachmund)