Nievoldhagen
2011 zur 500 Jahrfeier der Glocke:
Herold: Hört Ihr Leut und lasst euch sagen,
unsre Glock hat 10 1/2 geschlagen.
Seid willkommen, liebe Leut,
hier in Nievoldhagen heut,
Denkt, was geschehn‘ vor 500 Jahren,
als hier wohnten Menschen in Scharen
in Häusern und Katen
ja, sie gaben, was sie hatten
um in Ihrer Kirche eine Glocken zu haben
die sie rufen sollte in guten und bösen Tagen.
Zu beten und zu loben Gott in froher Zeit
Und auch zu empfangen in manchem Leid.
Ein Glockengießer wurde genommen,
Klaus Backmeister aus Mageburg hat das Werk begonnen.
Im Turm von Nievoldhagen läutet sie bald
ein wunderschöner Klang durchdringt den Wald.
Über ein Jahrhundert läutet sie tagaus tagein
Und alle können glücklich sein
bis Räuberbanden kommen geritten
und haben geplündert trotz aller Bitten.
Leid und Tod liegt über dem Ort
Und nun sind alle Menschen fort.
Der Kirchturm stürzt krachend zusammen
Die Glocke begraben im Schutt ward nicht mehr vernommen.
Vergessen alles Leben
das es hier gegeben
Doch eines Tages trifft ein Sonnenstrahl
Auf das, was Schweine freigewühlet hab’n,
Die Glocke wird entdeckt.
Drei Hirten laufen um die Wett
Zu bergen den kostbaren Schatz.
Der Eschenröder trifft den Bauern am Waldesrand
Sein Wagen zuerst zur Glocke fand.
In seine Kirch bracht er sie nach Eschenrode
Wo sie läutet bis zum heutigen Tage Gott zum Lobe!
1999: Erster Nievoldhagen-Gottesdienst
Wir befinden uns mitten im Dorfe Nievoldhagen.
Was wir jetzt sehen, ist alles, was davon übriggeblieben ist.
Mitten in Nievoldhagen stand die Kirche.
Ihre Grundmauern sehen wir hier noch.
Wir feiern nun wieder einen Gottesdienst in der Kirche.
Und verbinden uns so mit den Menschen, die hier vor über 500 Jahren Gott angebetet hatten.
Versunkene Städte.
Versunkene Dörfer.
Wenn Sie genau schauen, gibt es noch einige kreisförmige Erhebungen, alte Feuerstellen, um die die Wohnhäuser gebaut wurden.
Mitten auf diesen Überresten befinden wir uns jetzt.
Hier, in der Kirche kamen sie sonntags zusammen.
Erzählten sich, was sie erlebt hatten, dankten Gott für die Woche.
Nievoldhagen war kein reicher Ort.
Aber die Kirche, ein Ort, um Gott zu danken, das war ihnen wichtig.
Bei aller Armut waren sie da doch innerlich reich.
Den Glauben an Gott konnte ihnen keiner nehmen.
Es gibt Dinge, die wir von unseren Vorfahren lernen können.
Man kommt wieder weg von den Betonbauten der Neuzeit und lernt etwas von den verwinkelten, gewachsenen Bauwerken alter Zeit.
Vieles konnte in letzter Zeit dem Verfall entrissen werden, nicht zuletzt durch ABM, die manche Mauer wieder verfugt haben.
Wie es aussieht, wenn Menschen nicht mehr ihre Bauwerke erhalten, kann man hier sehen. Jede Generation muß ihrem Beitrag leisten, sonst verfällt, was unsere Väter und Mütter uns überlassen haben.
Nievoldhagen.
Das Dorf lag irgendwann wüst.
Manche denken an die Pest 1348-51.
Manche denken an die Zeiten des Faustrechtes im 13ten und 14ten Jahrhundert.
Das Dorf hat viel Leid miterlebt.
Viel Grausamkeit.
Viel Tod.
Wir brauchen heute nicht stolz darauf sein, daß es bei uns alles besser läuft, daß wir ums so viel intelligenter und vernünftiger sind.
Nein, ich glaube, die Menschen sind erschrecken gleich geblieben, ob sie nun vor dem Computer sitzen oder mit dem Faustkeil in der Hand.
Und nicht umsonst treffen die Worte der Bibel heute wie damals, weil die Menschen Sünder geblieben sind und sich selber das Leben immer wieder schwer machen und von der Gnade Gottes leben.
Damals haben sie es gesprochen:
„Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“
Und wir stellen uns heute in eine Reihe mit den Menschen vor uns, sagen: wir sind auch nicht besser als sie, leben von der Vergebung. Und so werden wir an dieser Stelle das Vaterunser sprechen. Wir haben es mit dem gleichen Gott zu tun, der schon die Jahrhunderte überdauert hat und den Menschen immer wieder etwas zu sagen hat.
Der die Menschen ruft durch Beauftragte, seien es Propheten, Pastoren oder durch eine alte Frau, die am Glauben festhält, während um sie herum die Umgebung atemlos geworden ist, den Halt verloren hat.
Gott hat seine Leute zu jeder Zeit.
Ich weiß von manchem unter ihnen, der so etwas ist, wie das Licht der Welt und den Gott gebraucht hat zum Heil für diese Welt.
Auch die Kirchenglocken sind so etwas, wie die Stimme Gottes, die hinausruft:“Denkt an die Zeit und die Ewigkeit. Denk an den, der dich bis hierhin gebracht hat.“
Und so haben die Menschen hier auch eine Glocke gehabt mit der Inschrift:
Anno domini, im Jahre des Herrn 1511 annani Sapta
Clawes backmester von magde borch“.
Sie wurde 1511 in Magdeburg gegossen.
Die geheimnisvollen Worte „annani Sapta“ hat bisher noch niemand deuten können.
Es gibt Hinweise, daß 1511 schon der Ort wüst gelegen haben könnte und die Kirche aber eine besondere Bedeutung als Wallfahrtskirche gehabt haben könnte.
Schon damals dachten die Menschen an ihre Vorfahren, die einst hier gelebt hatten. Sahen diese Kirche als einen Ort, an dem sie Gott begegnen konnten fern von allem geschäftigen Treiben.
Manchmal muß man einfach rausgehen.
Wandern, wallfahren, bis die Seele soviel Distanz zu dem Alltäglichen hat, daß sie Gott begegenen kann.
Diese Chance haben wir nun, wollen uns beschenken lassen von dem Gott, der durch die Zeiten führt, der in den blühenden Zeiten von Nievoldhagen da war.
Der 1511 da war, als die Menschen sich in diesen Ort der Einsamkeit rufen ließen, an einen Ort des Segens.
Der da war, als das äußere Gebäude in sich zusammenfiel und die Glocke unter sich begrub.
Und der es auch so geführt hat, daß sie wiedergefunden wurde und nun wieder an geweihter Stelle hängt.
Sie wissen es vielleicht, die Geschichte von der Glocke:
„Im Wald zwischen Eschenrode und Behnsdorf liegt die Wüstung Nievoldhagen.
Um 1900 war noch ein großer Erdhaufen über den heutigen Grundmauern.
Einst hüteten an diese Stelle der Hödinger und der Eschenröder Schweinehirt gemeinsam ihre Herden.
Als die beiden Hirten an einer Stelle kratzten und wühlten, und daß etwas Blankes zum Vorschein kam.
Sie gingen hin und erkannten das Oberteil einer Glocke.
Nun wußten sie nicht, wer die Glocke haben sollte, da sie doch nicht gesehen hatten, wessen Schwein die Glocke freigelegt hatte.
Lange beratschlagten sie; erst dann verabredeten sich die Hirten, daß die Glocke dem gehören sollte, der zuerst mit einmem Wagen zur Stelle wäre.
Sie liefen los, so schnell sie konnten.
Der Eschenröder hatte Glück, daß er gleich am Ende des Waltes einen ackernden Bauern traf.
Der Schweinehirt rief ihm zu, sofort mit dem Gespann zu kommen.
Der Bauer tat es, und die Eschenröder kamen hierdurch früher an. Der Hödinger mußte nämlich erst in das Dorf, um einen Wagen zu holen.
Als er mit dem Wagen in Walde ankam, hatten die Eschenröder die Glocke schon geholt.
Noch heute hängt er im Turm der Eschenröder Kirche.“
Das war die Geschichte.
Hier hat sie ihren Ursprung gefunden.
Und es ist gut, daß sie nun wieder in einer Kirche hängt und zur Ehre Gottes läutet.
Wenn sie die Glocke hören, denken sie an diese Geschichte.
An die Wüstung Nievoldhagen.
An die schlimmen Erlebnisse in den Pestjahren und den zeiten des Faustrechtes.
Und all das Klagen hört man mit.
Und auch den Ruf zu unserem Herrn und Heiland:
„O Herr hilf, o Herr, laß wohl gelingen“.
Hans Heidenreich
Aus dem Gemeindebrief Ostern 1999
Freiluftgottesdienst in der Kirchenruine Nievoldhagen
Die Idee entstand mit den Kindern der Christenlehre: Wir wollten einen Fahrradausflug dorthin machen und in der alten Ruine ein Holzkreuz legen und ein Vaterunser sprechen.
Gesagt, getan. Wir kamen bis zum Angerbornspring – aber die Ruine Nievoldhagen haben wir nicht gefunden.
Diesmal wollen wir es erneut wagen und einen Gottesdienst dort halten – was ist würdiger für diesen Ort, an dem schon unsere Vorfahren gebetet haben.
Die Posaunen werden feierlich die Lieder begleiten.
Das ganze wird sein am Sonntag, den 13. Juni 1999 um 14 Uhr.
Um 13.15 starten die, die mit dem Rad kommen von der Hörsinger Kirche.
Sitzgelegenheiten/Decken und evtl. Picknik möge jede Familie selber mitbringen.