Detzel
Letztes Detzelfest 16.6.2002
(Ansprache Pfarrer Hans. Heidenreich
Liebe Besucher des Detzelfestes,
…Wenn wir Schloss Detzel sehen,
dann sehen wir ein schönes Bauwerk.
Wir wissen, wie die Vergangenheit dieses Schlosses war und wir können sagen:
„Lobe den Herrn meine Seele und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Psalm 103,2.
Wir wissen noch nicht, was die Zukunft bringen wird für das Schloss, wie wir ja manches in unserem Leben noch nicht wissen.
Aber eines können wir tun: Alles, was uns bewegt, immer wieder Gott anzubefehlen.
Es ist schwer, damit umzugehen mit einer Situation, wo ich nicht weiß, wie es weitergeht, aber gerade da ist der Blick nach oben wichtig. Es geht doch manchem so, dass seine Zukunft alles andere als klar vor ihm liegt. Ich erinnere mich da an manches Gespräch.
Da zeigt sich dann, was Glaube ist, wenn ich mich wirklich an Gott klammere: „Gott hilf mir, ich brauche dich!“
Wieviel Plänen waren alles schon da.
Das macht sich keiner klar.
Wieviel schlaflose Nächte.
Und jetzt steht fast etwas Neues, wo die Bewohner von Schloss Detzel hinziehen können, nachdem die Genehmigung für die Nutzung des Schlosses als Heim ausgelaufen ist.
Keiner muss auf die Straße.
Vielmehr wird es ein wunderschönes ganz neues Haus.
Mit einer Villa, die schon bewohnt ist und die ganz toll ist, wovon ich mich selber überzeugt habe.
Bis es soweit war, wie es jetzt fast ist, hat es manche Situation gegeben, wo mal wieder kein Lichtblick war und es ist doch weitergegangen.
Viele Menschen haben sich eingebracht und ich möchte an dieser Stelle ohne Namen zu nennen, den Blick nach ganz oben richten:
„Lobe den H e r r n meine Seele und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Psalm 103,2.
Schauen Sie sich die strahlenden Augen der Bewohner in Calvörde an, das spricht für sich. Wie sie sich selbst einen Obstsalat in ihrer Küche gemacht haben oder selber eine Fernsehzeitschrift gekauft haben im benachbarten Lebensmittelmarkt.
Oder wie die, die es können mir erzählen, wie sie all die schönen neuen Einrichtungen ganz gründlich putzen.
Und als ich kam blitzte und blinkte alles, dass es nur so eine Freude ist.
Und wenn sie in ihr neues Haus fahren, dann fahren sie „nach Hause“. Das spricht doch für sich.
Natürlich tragen auch die netten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu bei, die mit den Bewohnerinnen auch mal ein Tänzchen wagen, wie ich mich überzeugen konnte
und ich selber bin auch schon aufgefordert worden von den Bewohnern und auch der Pfarrer kriegt dann ein Tänzchen hin.
Ist doch schön und so soll es auch bleiben hier, in Haldensleben und demnächst in Calvörde.
Von Schloss Detzel geht ein Segen aus und das spürt man auch im neuen Domizil.
Wenn ich sage: „Lobe den Herrn meine Seele und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat.“, dann sollte man auch einmal in die Vergangenheit schauen, um das zu ermessen.
1844 wurde das Schloss erbaut von Baron von Bonin. Purer Luxus. Als Jagdschloss.
Johanne von Nathusius ist es zu verdanken, dass es statt für die Reichsten den Ärmsten zur Verfügung gestellt wurde.
Am 5.Januar 1864 ziehen die ersten Behinderten ein.
Ich zitiere jetzt einen Originalbericht von damals (Mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen S. 90, Br. Neitz):
S.90 „Als die junge Hausmutter am anderen Morgen Kaffee kochen wollte, fehlte es am Kochgeschirr.“
Dann das nächst Problem:
„Das Wasser im Brunnen war sehr knapp, es hielt nur 3 Eimer! Waren die herausgepumpt, so währte es 1 bis 1 ½ Stunden ehe wir wieder etwas holen konnten; auch musste immer erst 1 Eimer hineingegossen werden, wenn er überhaupt Wasser geben sollte“.
Wenn man sich das mal auf der Zunge zergehen läßt – was können wir froh sein, dass wir Wasser haben.
Bruder Neitz, der erste Leiter von Schloss Detzel schließt:
„Doch Gott der Herr half durch alle Beschwerden hindurch“.
Das wollen wir heute an diesem Tage noch einmal ganz neu hören:
„Doch Gott der Herr half durch alle Beschwerden hindurch“. Und über den Platz, auf dem wir uns jetzt befinden schreibt er vor 130 Jahren:
„Vor dem Hauptportal, der große freie Platz, genannt „Halbmond“, der in früheren Zeiten den Kutschern zum Umwenden diente, glich buchstäblich einer sandigen Wüste.
... Die Wege waren vom Regen ganz ausgespült, daß tiefe Gräben darin waren; auf dem Hofe tiefe Löcher.“
Und weiter: „Mit dem Frühling begannen auch die nötigsten Bauarbeiten. Denn mit den Rauch in der Küche wurde es von Tag zu Tag schlimmer, daß man oftmals nicht wußte, wie die Speisen sollten fertig werden.“
Heute würde man sich bei der Feuerwehr eine Atemschutzmaske holen, damals musste so gekocht werden.
Und über einen Neuzugang aus Dahlenwarsleben berichtet er:
„Er war so verschmutzt, daß ihm nach dem dritten Bade der Hausvater den Schmutz an verschiedenen Stellen noch mit den Fingernägeln abkratzte. Er zeichnete sich besonders aus durch seine vielen Koboldstreiche...“
Im Nachhinein klingt das fast lustig, aber es ist nicht von ungefähr, wenn Br. Neitz, der aus Neinstedt kam, immer wieder sagte:
„Dies war eine sehr schwere Zeit,
aber der Herr half hindurch“.
Und es der Herr half wirklich hindurch bis dahin, dass mittlerweile schon so manches schöne Detzelfest gefeiert wurde.
Eine 92-jährige aus Süplingen erzählte, wie sie als Kind auf einem Leiterwagen nach Detzel zum Missionsfest fuhr und damals waren dort viele Kinder, die dort wohnten und die sangen ein Lied vor, wie heute ja auch, und sie kann sich heute, nach 85 Jahren noch genau daran erinnern sogar an den Text „Gott ist die Liebe, läßt mich erlösen, er liebt auch mich“. So beeindruckend war das für sie.
Und eine 80-jährige aus Bülstringen erzählte, dass Ihre Mutter schon immer nach Detzel gefahren ist zu den Missionsfesten über einen Steg, also gar nicht über Satuelle, sondern direkt. Deswegen kannte sie Detzel, aber in Satuelle war sie nie gewesen. Erstaunlich aber wahr.
Heute geht, wenn man so will, eine über 80-jährige Tradition zuende, was die Detzelfeste betrifft.
Wir haben manchen Segen durch diese Feste erfahren.
Das Thema heute heißt ja
“Alles hat seine Zeit: Abschluss und Aufbruch in Detzel”
Und so ist das gemeint. Ein Abschluss: Ja.
Aber auch ein Aufbruch.
Dankbarer Blick in die Vergangenheit.
Ja Gott hat geholfen.
Und daraus nehmen wir die Zuversicht für den getrosten Blick in die Zukunft.
Es ist der gleiche Gott.
Er hat die auf ihn trauen nicht vergessen. Er ist der Gleiche.
Er mag für uns verschlungene Pfade führen, aber sie werden weiterführen, sie werden zum Ziel führen.
138 Schloss Detzel. 138 Jahre Erfahrungen mit einem treuen Gott.
Und mit diesem Gott an unserer Seite brechen wir auf in Zeiten, die wir jetzt noch nicht kennen.
Aber wir halten es mit dem Lied: Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist .
Wir sehen es so: Gott hat uns Wege gewiesen und wir gehen sie voll Vertrauen und voller Erwartung. Gott führt uns, um seines Namens willen.
Lied: 395,1-3 Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist (Posaunenbegleitung)
Lesung Lukas 14,12-15 (Am 21. Januar 1814 verlesen von Superintendent Müller aus Altenhausen zur Einweihung von Schloss Detzel “...zur Herberge (der Bewohner), zu deren Bildung vor Menschen keine Aussicht ist, damit ihnen mein Heiland hier helfe, sie bewahre, wie eine Henn ihre Küchlein bewahrt unter ihren Flügeln, und sie in seinem Frieden hier wohnen lasse...”)